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EU-Rüge für Österreich: Nichteinhaltung von EU-Richtlinie im Fall Kraftwerk Ferschnitz / Ybbs
EU-Kommission kritisiert Österreich (neben anderen) für Nicht-Einhaltung der der Natura-2000-Bestimmungen in NÖ: „Bei dem fraglichen Gebiet (Kraftwerk Ferschnitz / Ybbs, Anmk.) handelt es sich um eines der beiden wichtigsten Gebiete zur Erhaltung des Huchens (hucho hucho). Das gesamte Gebiet befindet sich in einem nicht zufriedenstellenden Zustand, und das Vorhaben würde die Belastung der Gewässer am Standort noch erhöhen. (…) Da die österreichischen Behörden das Verfahren nicht ordnungsgemäß angewandt haben, übermittelt die Kommission Österreich nun eine mit Gründen versehene Stellungnahme und fordert das Land auf, die FFH-Richtlinie vollständig einzuhalten. Kommt Österreich dieser Aufforderung nicht binnen zwei Monaten nach, kann die Kommission den Fall an den Gerichtshof der Europäischen Union verweisen.“
Hier findet sich die Presseerklärung der EU-Kommission.
Wir fragen uns: Soll sich dieser Vorgang im Fall Kraftwerk Rosenburg wiederholen?
Landesrat Stephan Pernkopf hat leider auf den offenen Brief von Naturschutzbund, WWF und Riverwatch mit der Bitte um ein konstruktives Gespräch („Flüsse-Gipfel“) über die EVN-Pläne in Rosenburg bis Dato (29. April 2016) noch immer nicht reagiert…

Offener Brief: NGOs fordern Flüssegipfel zur Zukunft des Kamptales
Sehr geehrter Herr Landesrat,
die aktuellen Entwicklungen beim Wasserkraftausbau in Niederösterreich und insbesondere im Kamptal erfüllen die unterzeichnenden Naturschutzorganisationen mit großer Sorge.
Wir begrüßen die Initiativen des Landes Niederösterreich, den Anteil der Erneuerbaren zu steigern, Verbrauchsziele zu definieren und die Energieeffizienz voranzutreiben. Eine undifferenzierte Befürwortung der Wasserkraft ist jedoch sehr bedenklich. So steht beim Kraftwerk Rosenburg am Kamp der geringe energetische Zugewinn von 1,8 GWh/a in keinem Verhältnis zum Verlust an Flussnatur, der mit dem Neubau einhergeht. Zu den Schäden an den bedrohten Arten und Lebensräumen des Europaschutzgebiets gesellen sich potentielle negative Auswirkungen auf das soziale Klima und auf die Reputation von Betreiber und Politik: Das Kamptal war noch vor dem historischen Konflikt in den Hainburger Donau-Auen Schauplatz der ersten harten Auseinandersetzung zwischen Kraftwerksbetreibern und dem Naturschutz.
Im Sinne einer vorausschauenden Planung und zur Konfliktvermeidung wäre die Energiewirtschaft deshalb gut beraten, die Sensibilität von Standorten zu bedenken und gemeinsam mit Umweltverbänden in einem ehrlichen und transparenten Prozess nach Lösungen zu suchen. Beim geplanten Neubau des Kraftwerks Rosenburg ist die Einbindung der NGOs misslungen: Mit den NGOs getroffene Abmachungen hinsichtlich der Variantenprüfung wurden nicht eingehalten, ihre Bedenken nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Die im Dezember 2015 präsentierten EVN-Pläne zielen sogar auf wesentlich massivere Eingriffe in die Naturgüter ab, als dies zu Beginn des so genannten „Beteiligungsprozesses“ im Juni 2015 kommuniziert wurde. Die fundierten inhaltlichen Stellungnahmen der Naturschutzorganisationen wurden nicht eingearbeitet, sondern lediglich als „Anhang“ erwähnt. Eine solche Vorgehensweise ist nicht geeignet, konstruktive zivilgesellschaftliche Mitwirkung zu stärken, zerstört Vertrauen und schürt den Konflikt.
Die Umweltorganisationen Naturschutzbund NÖ, Riverwatch, der WWF Österreich sowie zahlreiche engagierte Privatpersonen und Künstler der Region befürchten, dass die aus unserer Sicht inakzeptable Vorgangsweise rund um die geplante Neu-Errichtung des Kraftwerks Rosenburg ein Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Projekte werden könnte.
Wir sind zudem der Überzeugung, dass auch die Einhaltung der EU-Richtlinien (Natura 2000, Wasserrahmenrichtlinie) hier nicht gegeben ist: Im ökologisch herausragenden Kamptal ist besonderes Augenmerk auf das Unterbinden von Verschlechterungen für Schutzgüter und Gewässer-Qualitätskriterien zu legen. Ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ an einem Neubau des KW Rosenburg ist angesichts der energetischen Bedeutungslosigkeit des Vorhabens schwer argumentierbar.
Die letzten großen naturnahen Flusstäler des mittleren Kamps, der Ybbs und der Erlauf haben nicht nur eine außergewöhnliche ökologische Bedeutung, sondern sollten auch als Reliktstandorte anderswo längst verschwundener Flussnatur für nachfolgende Generationen erhalten bleiben.
Sehr geehrter Herr Landesrat, Sie haben auf unsere Initiative vom Dezember 2015 für einen Niederösterreichischen Flüssegipfel bis heute nicht reagiert. Wir sind weiterhin zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit und möchten unser Dialogangebot mit Nachdruck erneuern. Um eine Lösung zu finden, die sowohl dem Naturschutz als auch dem Klimaschutz zuträglich ist, bedarf es einer ausgewogenen Entscheidung des Mehrheits-Eigentümers und der Politik.
Wir ersuchen Sie eindringlich, unser Dialogangebot anzunehmen und zügig den „Flüsse-Gipfel“ über die Zukunft des Kamptales anzuberaumen. Wir sind überzeugt, dass es möglich ist, einen Konflikt wie in den 80iger-Jahren zu vermeiden und gemeinsam Lösungen zu finden.
Mit freundlichen Grüßen,
für die Initiative Lebendiger Kamp
Andrea Johanides
WWF Österreich
DI Ulrich Eichelmann
Riverwatch
Univ.-Prof. Dr. Walter Hödl
Naturschutzbund NÖ
(11.3.2016)

Das Leben ist ein freier Fluss – Ausstellung, Eremitage / Kamp (6.3.-1.5.)
Der beabsichtigte Ausbau des Kleinkraftwerks Rosenburg bedroht einer der letzten ursprünglichen Flusslandschaften Österreichs. Unter dem Deckmantel „saubere Energie“ soll ein kleines aber unschätzbares Naturreservat für eine mögliche Gewinnoptimierung der EVN zurechtgestutzt werden.
Dreißig Künstler und Künstlerinnen nehmen mit ihren Arbeiten Stellung, warum die Erhaltung einzigartiger wilder Räume zum Menschsein unerlässlich ist. Die generationenubergreifende Bedeutung dieses drohenden Verlustes wird auch dadurch verdeutlicht, wenn zwischen der jüngsten Mitwirkenden, Simone Einfalt (geb. 1990) und der ältesten, Tatjana Gamerith (geb. 1919), fast ein dreiviertel Jahrhundert Lebenserfahrung liegen. Die Sehnsucht, dass nicht alles was uns wichtig ist, einer wirtschaftlichen Maximierung geopfert wird, bleibt bestehen!
Mit:
Iris Andraschek, Peter Berger, Christina Chra Nemec, Eva Eder N., Simone Einfalt, Tatjana Gamerith, Sonia Gansterer, Dieter Graf, Michael Goldgruber, Karin Hatwagner, Gudrun Kampl, Noemi Kiss, Hubert Lobnig, Michael Ollinger, Franziska Maderthaner, Christine Maringer, Norbert Maringer, Alois Mosbacher, Robert Petschinka, Eugen Plan, Stefan Sakic, Matthias Schickhofer, Claudia Schumann, Franz Seitl, Gudrun Seitl, Daniel Sporri, Janos Szabo, Barbara Raderscheidt, Christoff Wiesinger, Hans Wortl
Eröffnung am Sa., 05. Marz 2016 um 16 Uhr
Ausstellungsdauer: 06.03 – 01.05.2016
Öffnungszeiten: Do 16 – 20 Uhr, So 10 – 20 Uhr
3593 Wegscheid am Kamp, Wegscheid 14
Kontakt: Obmann Clemens Feigel, Tel. 0664 5655100

NGOs fordern „Flüsse-Gipfel“ von der NÖ-Landesregierung
EVN-Projekt mit EU-Wasserrahmenrichtlinie und Naturschutz nicht vereinbar
Fast auf den Tag genau 31 Jahre nach dem Beginn der Besetzung der Hainburger Au verkündete die EVN kürzlich, das alte Kraftwerk Rosenburg im Europaschutzgebiet Kamptal abreißen und durch eine größere Anlage ersetzen zu wollen. Alle großen Naturschutzorganisationen lehnen einen Kraftwerksausbau an diesem Standort ab und haben ausführliche Einwände eingebracht. Die EVN hat ihre Bedenken jedoch ignoriert und will eine bereits im Juni favorisierte Ausbau-Variante unverändert zur Genehmigung durch ihren Mehrheitseigentümer, das Land NÖ, einreichen. „Das Kraftwerk Rosenburg ist ein Affront gegen den Naturschutz und die Bürgerbeteiligung! Energetisch und für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, aber es vernichtet kilometerweise Flussnatur“, so die Vertreter von WWF, Naturschutzbund und Riverwatch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.
Die NGOs fordern nun vom EVN-Eigentümer-Vertreter Landeshauptmann Erwin Pröll und Umweltlandesrat Stephan Pernkopf einen „Flüsse-Gipfel“, um weitere Konflikte zu vermeiden und intelligente Lösungen zu finden. Statt unsinnige Kraftwerke in Schutzgebiete zu bauen, solle das Land lieber auf nachhaltigen Naturtourismus setzen. Die intakte Natur des Kamptals als Erlebnis- und Erholungsraum sei schließlich ein unersetzliches Kapital für die Region, so die Naturschutzorganisationen.
Minimaler Stromgewinn – großer Verlust für den Kamp
Die EVN will das alte Lauf-Kraftwerk am wildromantischen Umlaufberg durch eine größere Anlage ersetzen: Der bestehende Damm soll auf 6,5 Meter erhöht und die natürliche Flusssohle entlang von 1,2 Kilometern um 1,5 Meter vertieft werden. Der Stauraum würde sich dadurch auf insgesamt einen Kilometer verlängern und einen ökologisch wertvollen, äußerst idyllischen Talabschnitt mit Wildnis-Charakter in einen öden See verwandeln.
Der Waldviertler Autor und Fotograf Werner Gamerith war Teil des Bürgerwiderstands, der 1983 ein Großkraftwerk an derselben Stelle verhindern konnte. Für ihn steht die Glaubwürdigkeit der NÖ Landespolitik in Energie- und Umweltfragen nun erneut auf dem Prüfstand. „Für eine lächerlich geringe Energieausbeute soll in Zeiten eines Stromüberangebotes einer der wenigen verbliebenen wertvollen Abschnitte des Flusstales dauerhaft geschädigt werden? Der Kamp ist bis bereits jetzt durch die bestehende Kraftwerkskette bis in den Unterlauf belastet. Der Hausverstand sagt einem, dass Stauen und Ausbaggern zusätzliche Belastungen bringen. Das macht die gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgeschriebene Sanierung des Kamps unmöglich. Wie soll ein Kraftwerksausbau hier ohne Rechtsbeugung durchsetzbar sein?“, schüttelt Gamerith den Kopf.
Pseudo-Einbindung der NGOs durch die EVN
Obwohl es laut der internationalen Aarhus-Konvention für Österreich verpflichtend ist, anerkannte Umweltorganisationen in wichtigen Umweltfragen einzubinden, wurden die Stellungnahmen der NGOs zum Kraftwerk Rosenburg nicht berücksichtigt. Margit Gross, Geschäftsführerin des Naturschutzbund Niederösterreich, kritisiert: „Angesichts der gravierenden Auswirkungen des Projektes auf Landschafts- und Naturschutz wäre die EVN gut beraten gewesen, die Expertenmeinungen ernst zu nehmen. Was am Kamp passiert ist, war ein Missbrauch der Bereitschaft der NGOs, sich fachlich einzubringen und hat der Idee der Bürgerbeteiligung sehr geschadet.“ Für einen ernst gemeinten Dialog im Zusammenhang mit einer Sanierung – nicht eines Neubaus – des Kraftwerks Rosenburg stehe man jedoch weiterhin zur Verfügung.
Für Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von Riverwatch, ist das EVN Projekt Rosenburg der Versuch, den Ausbau des Kamp und vieler weitere Flüsse Niederösterreichs – getarnt als Sanierung – voranzutreiben. Das Land NÖ wolle die Stromerzeugung bis 2030 um rund 470 GWH ausbauen. Den Großteil davon sollen Kleinwasserkraftwerke erbringen. Wenn all diese Kraftwerke, nach dem Vorbild des Kamp, „erneuert“ werden, dann würde das bedeuten: Hunderte Kilometer mehr gestaute Flüsse, noch mehr massive Eingriffe in geschützte Lebensräume und Verschlechterungen für bedrohte Arten. Außerdem sei der Stromgewinn gar nicht notwendig, denn in NÖ produzieren fünf Großwasserkraftwerke insgesamt 59 Prozent des Stroms, dagegen weitere 567 kleinere Wasserkraftwerke nur vier Prozent. Eichelmann erklärt: „Was die EVN hier plant, ist eine Flusszerstörung im neuen Gewand. Die Entfernung des Stauwehres in Rosenburg ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht die einzig sinnvolle Variante. Niederösterreich braucht nicht mehr Kraftwerke, sondern mehr intakte Flüsse!“
WWF: Keine Kraftwerke in Schutzgebieten
Fast zwei Drittel der heimischen Fließgewässer sind bereits durch Wasserentnahme, Aufstau, Regulierungen oder Begradigungen ökologisch degradiert. Gleichzeitig braucht es unbestritten eine Energiewende. WWF-Flussexperte Christoph Litschauer: „Es ist grundsätzlich sinnvoll, bestehende Kraftwerke zu optimieren. Entscheidend für den Ausbau ist jedoch die Wahl der richtigen Standorte! Rosenburg ist bereits das zweite EVN-Kraftwerksprojekt, das in einem Europaschutzgebiet geplant wird und es widerspricht dem Ökomasterplan des WWF“, so Litschauer. Für ihn geht es um mehr als um ein lokales Wasserkraftwerk: Österreich hat mit rund 75 Prozent bereits einen der höchsten Ausbaugrade der Wasserkraft weltweit.
Klimaschutz nicht gegen Naturschutz ausspielen
Die Naturschutzorganisationen sprechen sich daher für die Varianten „Bestandssanierung“, also Modernisierung des Kraftwerks ohne dauerhafte Eingriffe in den Fluss, oder die Variante „Flusssanierung“, also den Rückbau der Kraftwerksanlage, aus. Klimaschutz erfordere eine umfassende Strategie und dürfe nicht dafür herhalten, für eine magere Stromausbeute letzte Naturräume zu zerstören, zumal in NÖ bereits 572 Wasserkraftwerke stehen. Außerdem müssen gleichzeitig alle Effizienzpotentiale genutzt werden, wenn eine echte Energiewende angestrebt wird.
Die Naturschutzorganisationen richten daher an das Land Niederösterreich als Mehrheitseigentümer der EVN – allen voran Landeshauptmann Erwin Pröll und den zuständigen Landesrat Stephan Pernkopf – den dringenden Aufruf, im Rahmen eines „Flüssegipfels“ eine umfassende und nachhaltige Lösung für Naturschutz und Klimaschutz in Niederösterreich zu erarbeiten.