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Was wird 2020 für unser Kamptal bringen?

Im Jahr 2020 werden viele wichtige Entscheidungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz fallen, wie etwa die neue EU-Biodiversitätsstrategie.  Auch in der Causa Neubau des Kraftwerks Rosenburg stehen Weichenstellungen an. Die langen Verzögerungen im UVP-Verfahren interpretieren wir als Indiz, dass es offenbar massive Probleme mit der Naturverträglichkeit des Kraftwerk-Neubaus gibt.

Die globale Lage ist sehr bedrohlich. Die kombinierte Klima- und Naturzerstörungskrise schreitet rasch voran. Heute brennt Australien. Morgen sind Brände wohl auch bei uns vermehrt zu befürchten. Die Borkenkäfer-Schäden im Waldviertel sind ein Vorgeschmack auf die gewaltigen Probleme, die auf uns und unsere Kinder zukommen.

Daher müssen wir jetzt handeln. Und wir müssen jetzt das Richtige tun. Also: rasch Klima- und Naturschutzlösungen umsetzen. Keinesfalls dürfen wir wertvolle Zeit und Ressourcen mit unwirksamen und / oder kontraproduktiven Projekten vergeuden.

Energiesparen (!), Emissionsvermeidung (zB. keine völlig überflüssige Waldviertel-Autobahnbau) und sinnvolle Energieprojekte – wie der stark beschleunigte Ausbau der Sonnenstromerzeugung – wären weit sinnvoller als das Kamptal für eine minimale zusätzliche Stromausbeute umzugraben und wertvolle Natur-Lebensräume zu eliminieren.

Die Wissenschaftler vom österreichischen Biodiversitätsrat haben im Dezember 2019  den „Biodiversitäts-Notstand“ für Österreich ausgerufen und von der nächsten Regierung einen Stop der Lebensraumzerstörung und eine „Biodiversitätsmilliarde“ gefordert, um z.b. Grundbesitzer für Naturschutzleistungen besser abgelten zu können. Das zeigt: der Hut brennt.

Wie viele Menschen hierzulande fragen auch wir uns: Warum sind in Niederösterreich so wenig Sonnenstrom-Kraftwerke zB. auf den vielen frei stehenden Supermärkten und Shoppingscenters zu sehen? Wo bleibt der Sonnenstrom-Ausbau in Niederösterreich?

Ein Sonnenkraftwerk auf den riesigen Dachflächen bzw. über den tausenden Parkplätzen des nahe gelegenen EKZ Horn – statt des Kraftwerks-Neubaus bei Rosenburg – wäre doch ein guter Anfang…

Das wachsende Natur-Bewusstsein der Menschen in der Region gibt uns Zuversicht.
Wir machen mit voller Kraft weiter! Stehen wir unseren Kamptal auch 2020 gemeinsam bei!

 

Rechnungshof: In Niederösterreich nur mehr 31% der Flüsse intakt

Laut dem Bericht des Rechnungshofs zur „Ökologisierung Fließgewässer, zweite Sanierungsperiode“ sind nur mehr 40 Prozent der heimischen Fließgewässer in einem „guten ökologischen Zustand“.  Und die Sanierung läßt auf sich warten…

Der Rechnungshof konstatiert, dass zwar fast alle österreichischen Fließgewässer wieder einen  „guten chemischen Zustand“ erreichen, aber bloss 40 Prozent dieser Gewässer sind ökologisch noch intakt bzw. zeigen ein gutes ökologisches Potenzial. Die Lage ist in Salzburg und Tirol mit 59 bzw. 57 Prozent etwas besser. In Niederösterreich und der Steiermark weisen  jedoch nur 31 bzw. 34 Prozent der Fließgewässer einen guten ökologischen Zustand auf.

Das oberste Prüforgan der Republik hat sich die heimischen Fließgewässer genauer angesehen, weil die EU-Wasserrahmenrichtlinie (gültig seit dem Jahr 2000) keine weiteren Verschlechterungen der Gewässer zuläßt bzw. Verbesserungen für alle Flüsse verlangt, die  keinen guten Zustand aufweisen. Die absolute Deadline dafür ist das Jahr 2027.
Davon ist man in Österreich aber offenbar noch meilenweit entfernt: Es mangelt u.a. nach wie vor an ausreichender „Durchgängigkeit“ der Flüsse – etwa für Fische (wegen der vielen Querbauwerke wie Staumauern).
Niederösterreich ist das unrühmliche Schlußlicht in Österreich was die ökologische Qualität der Flüsse betrifft.  Auch aus diesem Grund ist der geplante Abriss und Neubau des Kamp-Kraftwerks Rosenburg die falsche Entscheidung.

Über 580 Arten am Tag der Artenvielfalt im Kamptal!

Mehr als 580 Arten, darunter 353 Pflanzenarten, 72 Tag- und Nachtfalter, 56 Vogelarten, 17 Heuschreckenarten, 15 Käferarten und zahlreiche Arten aus anderen Organismengruppen waren die „Ausbeute“ des Tages der Artenvielfalt am Kamp bei Rosenburg.

Der Tag der Artenvielfalt begann am Abend des 17. Mai mit einem Schmetterlingsleuchten und endete am frühen Nachmittag des darauffolgenden Samstags.  Unter den Arten fanden sich zahlreiche gefährdete und damit auch geschützte Arten: Bekannte wie der Eisvogel, der Baumfalke und Wespenbussard, der Trauermantel, die Würfelnatter und die Smaragdeidechse, aber auch weniger bekannte Arten wie der Ruten-Lattich, das Christusauge, das Meergrün-Sesel, der Alexis-Bläuling.

In nur wenigen Stunden gelang es damit den 15 Expertinnen und Experten auf die große Vielfalt des mittleren Kamptales aufmerksam zu machen. 80 TeilnehmerInnen begleiteten die Artexperten auf ihrer Suche und konnten damit hautnah die Vielfalt miterleben.

Vielen herzlichen Dank an alle Expertinnen und Experten!

Thomas Zuna-Kratky, Gerald Dick und Norbert Griebl erläutern die Artenvielfalt im Kamptal bei Rosenburg:

Tag der Artenvielfalt im Kamptal am 18. Mai 2019
Der Kamp ist Lebensraum der stark bedrohten Würfelnatter
Thomas Zuna-Kratky erläutert den enormen Vogelreichtum des Kamptals
Das artenreiche Kamptal als Forschungsobjekt…
Herr Smaragdeidechse posiert…
Konsilium der ExpertInnen

WWF Stromanbieter-Check 2018: EVN ist Nachzügler

Der neue Stromanbieter-Check 2018 von GLOBAL 2000 und WWF zeigt großen Aufholbedarf bei Anbietern von „Grünstrom“. Und: Die EVN landet gar am  unrühmlichen vorletztem Platz…

WWF und GLOBAL 2000 haben 2018 bereits zum zweiten Mal die österreichischen Grünstromanbieter unter die Lupe genommen. Im „Stromkennzeichnungsbericht 2018“ der E-Control sind 125 Anbieter aufgelistet, die gemäß gesetzlicher Grundlage ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen anbieten. Davon haben 31, also rund ein Viertel, an unserem Check teilgenommen, die aber 73% des Strombezuges aus dem öffentlichen Netz abdecken.

Die wichtigste Erkenntnis: Die wenigsten Angebote sind so sauber, wie behauptet wird. Nur zwei Stromanbieter konnten die Umweltorganisationen der Gruppe „Treiber der Stromzukunft“ zuordnen, gefolgt von vier Stromanbietern der Gruppe „Solide Grünstromanbieter“. Darüber hinaus ist die große Mehrheit der so genannten Grünstromanbieter nicht so sauber, wie sie gerne vorgeben. Mehr als ein Drittel des in Österreich verkauften Stroms wird mit zugekauften Nachweisen umetikettiert und „grün gewaschen“.

Das neue Ranking der „umweltverträglichen“ Stromanbieter ist hier in voller Länge veröffentlicht.

EVN: beschämender vorletzter Platz

Die EVN schneidet gar nicht gut ab: ein Platz vor dem absoluten Schlußlicht. Die negative Bewertung der EVN geht im Wesentlichen auf Mängel in der Naturverträglichkeit, im Anteil an „Fossiler Ressourcen“ und auf Beteiligungen von Atomkonzernen zurück (siehe Seite 93).

Zitat: „Die Energie Baden-Württemberg (EnBW42) betreibt noch zwei ihrer fünf Atomkraftwerke (Philippsburg II und Neckarswestheim II), die übrigen drei sind bereits im Rückbau. Die EnBW ist an der EVN finanziell beteiligt. (…) Zwar sind diese Beteiligungen an der Kelag und bei der EVN nicht als strategisch-steuernde Einflüsse zu verstehen, jedoch fließen Profite – wie bei jeder Finanzbeteiligung – an die Anteilseigner.“

Durch die starke wirtschaftliche Vernetzung uber Unternehmensbeteiligungen in Osterreich werden Profite von einzelnen Stromanbietern über weite Strecken „weitergereicht“. Deutsche Atomkonzerne profitieren damit über ihre Finanzbeteiligungen vom Grünstromverkauf in Österreich. Die EVN erhielt aufgrund der Beteiligung durch die EnBW (Atomkraftkonzern) minus 10 Punkte.

In der folgenden Abbildung haben die Autoren der Studie versucht, diesen „Atom-Filz“ nachvollziehbar darzustellen: Startpunkte sind die angedeuteten Atomkraftwerke (in Gelb am oberen Rand der Grafik). Deren direkte Finanzbeteiligungen an Stromanbietern (rote Stecker) und der innogy als Holdinggesellschaft (rotes Hochhaus) sind mit grauen Pfeilen in der Breite der gehaltenen Anteile eingezeichnet. Die weiteren Beteiligungen (graue Pfeile) zwischen den Stromanbietern (orange Stecker) und Holdinggesellschaften (orange Hochhäuser) sind jeweils nur zwischen zwei Punkten zu verstehen. Zum Beispiel: Die EVN halt rund 13 % am Verbund. Dieser wiederrum halt rund 5 % an der Energie AG. Die Energie AG halt 49 % der Anteile der Wels Strom, 65 % der Anteil der ENAMO und rund 26 % der Anteile der Salzburg AG. Rechnet man alle diese Beteiligungen durch, so ergeben sich die jeweiligen Profitstrome, die theoretisch bis zu den drei Atomkonzernen fließen (gelbe Pfeile). Um die Ubersichtlichkeit zu erhohen, wurden keine weiteren (für diese Betrachtung nicht relevanten) Beteiligungen abgebildet.

In anderen Worten: die EVN erzeugt nach wie vor Strom mit fossilen Energieträgern betrieben und liefert Profite an einen deutschen Stromkonzern ab, der auch Atomkraftwerke betreibt. Auch wenn man sich offenbar mit der Auskopplung der  Tochterunternehmens „evn naturkraft“ einen grüneren Touch verleihen will,  die EVN hat das fossile und nukleare Zeitalter anscheinend noch lange nicht hinter sich gelassen.
Der Abriss und Neubau des Kleinkraftwerks im Naturparadies Kamptal ändert daran nichts – und macht die EVN auch nicht „grüner“…

Falter-Reportage: Fluss, Strom, Streit

Die EVN will im Kamptal ein Kraftwerk vergrößern – mitten im Naturschutzgebiet. Einmal mehr wird die Frage ausgefochten: Wann ist Wasserkraft wirklich grün? Der Energie-Report von Gerlinde Pölsler erschien im Falter (44 / 18).

Sibylle Steidl versteht es einfach nicht. Die Therapeutin ist vor zwei Jahren nach Gars am Kamp gezogen. Als Gern-Wanderin kennt sie viele schöne Plätze von der Steiermark bis Tirol, aber: „So einen natürlichen Flusslauf kenne ich sonst nirgends. Die Schönheit dieser wilden Gegend ist einzigartig – mit den urwaldartigen Hängen, teils gibt es nicht einmal Wege.“ Sie denkt darüber nach, hier Wanderungen zu veranstalten. Als sie erfuhr, dass in Rosenburg ein neues Kraftwerk gebaut werden soll, war sie „entsetzt“. Schnell fand Steidl sich als eine der Sprecherinnen in der Bürgerinitiative Lebendiger Kamp wieder.

Dabei tun an dem Fluss bereits 23 Kraftwerke ihren Dienst. Doch abschnittsweise fließt der Kamp noch frei, umgeben von alten Au- und Schluchtwäldern, Herberge für seltene Tier- und Pflanzenarten wie Eisvogel und Uhu, Mopsfledermaus und Fischotter. Ein Teil des Gebiets gehört zum Natura-2000-Europaschutzgebiet Kamp- und Kremstal. Viele Menschen kommen zum Wandern oder Kajakfahren hierher.

Doch jetzt will der niederösterreichische Landesenergieversorger EVN im mittleren Waldviertel um zehn Millionen Euro das 110 Jahre alte Kraftwerk Rosenburg abreißen und neu aufbauen. Derzeit versorgt es 1200 Haushalte, künftig sollen es doppelt so viele sein. Zu wenig, um einen so großen Eingriff in die Natur zu rechtfertigen, meinen Bürgerinitiative und NGOs. Sie sehen hier eine „Nagelprobe für Naturschutzpolitik“: Ein Kraftwerksbau im Natura-2000-Gebiet wäre ein Präzedenzfall, sagen sie.

„Es gibt eh schon so viele Kraftwerke am Kamp, warum muss jetzt dieses einzige schützenswerte Stück Natur auch noch herhalten?“, fragt Sibylle Steidl. Sie lief mit um Unterschriften, um noch rechtzeitig für die UVP als Bürgerinitiative anerkannt zu werden. Dazu braucht es 200 Unterschriften; der Lebendige Kamp hatte innerhalb von drei Wochen 534 Unterschriften beisammen.

Es ist ein Konflikt, wie er in Österreich zigfach ausgefochten wurde und wird: um ein Projekt in Ferschnitz an der Ybbs; um das Kraftwerk an der Schwarzen Sulm in der Steiermark, ebenfalls in einem Europaschutzgebiet, das seit Jahren Behörden, Gerichte und EU-Organe beschäftigt. Erbitterte Kämpfe gibt es auch in Salzburg und Tirol, etwa rund um den Kaiserbach, den Tauernbach und die Ötztaler Ache. Längst in Gang ist der Bau des umstrittenen Murkraftwerks in Graz-Puntigam.

Die Gegner beklagen jeweils, der Output stehe in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Naturzerstörung. Erneuerbare Energie ja – aber bitte nicht für Pipifax-Projekte, die riesige Naturschäden anrichten würden. Der geplante Ausbau im Kamptal beispielsweise bringe nicht mehr als ein halbes Windrad.

Projektwerber, Befürworter und große Teile der Politik dagegen argumentieren: Wir müssen raus aus den fossilen Energien, wo bitteschön soll der Strom also herkommen? Die Naturschützer seien ja ebenso gegen Windräder. „Wir planen 15 Kilometer weiter einen Windpark. Einen Teil der Leute, die gegen Rosenburg sind, sehe ich auch dort bei Protesten“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. „Dabei kommen sie selbst mit den Elektroautos daher.“

Wer hat recht?

Die Eckdaten zum Projekt Rosenburg, wie sie in den kürzlich eingereichten Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) stehen: Krafthaus und Wehranlage werden neu gebaut. Die Staulänge soll um 300 Meter auf gut einen Kilometer verlängert, die Staumauer um 1,6 Meter erhöht werden. Das führt zum „Einstau von Waldflächen“. Auf einer Länge von 1,6 Kilometern wird die Flusssohle um bis zu eineinhalb Meter tiefer gelegt, die Uferbereiche an dieser Strecke werden „neu gestaltet“. Insgesamt beanspruche man rund 6,4 Hektar zusätzliche Flächen. Am Ende soll eine Maximalleistung von 2,22 Megawatt stehen.

EVN und Gegner kommen teilweise auf keinen grünen Zweig, es scheitert schon am Wording. Warnen die Kritiker vor neuen Straßen, betont der EVN-Sprecher: „Es wird keine einzige neue Straße gebaut.“ Lieber spricht man im Antrag davon, dass bestehende Wege „auf eine Breite von 4 m plus beiderseits ein Bankett von 0,5 m ertüchtigt“ würden, schließlich müssten hier Lkw fahren. Allerdings würden die „Straßen nur geschottert ausgeführt“, großteils jedenfalls. Laut Zach wird auch ein Hektar Wald „temporär gerodet“. Er meint damit, dass einer von drei Hektar wieder aufgeforstet wird.

Endgültig driften die Einschätzungen bei den ökologischen Folgen all des Stauens, Bauens und Rodens auseinander.

Zur Aktionsgruppe Lebendiger Kamp haben sich neben der Bürgerinitiative auch viele NGOs eingefunden: der Naturschutzbund Niederösterreich und der WWF, Riverwatch, das Forum Umwelt und Wissenschaft. Auch der Umweltaktivist Werner Gamerith ist dabei; er hat sich schon Anfang der 1980er-Jahre gegen ein geplantes Kraftwerk im Kamptal engagiert – mit Erfolg. Kürzlich lud die Gruppe zur Pressekonferenz in Wien, „und beim ‚Bürgeranwalt‘ im ORF waren wir auch“, erzählt Sibylle Steidl.

Eine Fläche von gut acht Fußballfeldern an wertvoller Auwald- und Flusslandschaft würde durch den Bau zerstört, beklagt die Gruppe. Sowohl die Verwandlung vieler hundert Meter Fluss in ein stehendes Gewässer als auch die Ausbaggerung seien dramatische Eingriffe, erklärt Gerhard Egger, Programmleiter Fließgewässer beim WWF Österreich. Dabei habe das Land Niederösterreich den Kamp bereits als „erheblich verändert“ eingestuft. „Und jetzt will man da wieder ein Stück wegzwacken: Das verkraftet der Fluss nicht mehr.“

Stefan Zach, seit Jahrzehnten EVN-Sprecher, verbringt gerade den Großteil seiner Arbeitszeit im Atomkraftwerk Zwentendorf. Vor 40 Jahren sprachen sich die Österreicher gegen Atomkraft aus, deshalb sind in dem Geisterwerk aktuell viele Führungen gefragt. Dass Zwentendorf und Hainburg verhindert wurden, habe einen enormen Aufschwung von Kohlekraftwerken nach sich gezogen, sagt Zach. So sei das Werk in Dürnrohr gebaut worden, das die EVN bis 2025 abschalten will. Jetzt müsse man schleunigst raus aus allem Fossilen.

Zachs Tenor zu Rosenburg: Vom Neubau werde man kaum etwas merken. Schließlich produzierten schon jetzt zahlreiche Kleinwasserkraftwerke am Kamp Strom, und trotzdem schwärmten Anwohner und Touristen von der Schönheit der Landschaft. Die Experten versicherten, dass das Werk zu keinen schweren ökologischen Schäden führe. Ein Natura-2000-Gebiet bedeute ja nicht, dass man hier nichts mehr tun dürfe. Handeln müsse man in Rosenburg sowieso, da die Turbinen alt seien und die Wehranlage beim Hochwasser 2002 stark beschädigt und nur provisorisch erneuert worden sei.

Aber wieso gleich ausbauen? „Weil wir uns bemühen, die Stromerzeugung im Rahmen des Möglichen zu maximieren.“ Lieber lasse sich die EVN vorwerfen, dass sie zu viel zur Erfüllung der Klimaziele probiert habe als zu wenig. Und wenn die NGOs sagen, die EVN solle mehr auf Wind- und Solarstrom setzen, so tue sie das ohnehin: „Es geht nicht mehr um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Wir werden alle brauchen.“

Genauso sehen das Stromversorger in ganz Österreich. Dabei ist die Dichte an Wasserkraftwerken hierzulande schon sehr hoch. Laut Gerhard Egger vom WWF sind die heimischen Gewässer im Schnitt bereits alle 900 Meter unterbrochen. „Früher konnten die Fische etwa in Hitzeperioden hunderte Kilometer ausweichen. Jetzt haben sie nur noch kleine Badewannen übrig.“

Dabei ist der Beitrag all dieser Anlagen zum erzeugten Kuchen laut einer vom WWF in Auftrag gegebenen Studie sehr unterschiedlich: Rund 2500 der allerkleinsten Wasserkraftwerke mit unter einem Megawatt Leistung tragen nur vier Prozent zur Gesamtstromversorgung aus Wasserkraft bei. „Also sehr viel Schaden für wenig Wirkung“, findet Egger.

Durch das Credo, dass der Ausbau der Erneuerbaren über allem stehe, wird Klimaschutz gegen Naturschutz in Stellung gebracht. Beispiel Murkraftwerke: Bei der Staustufe Puntigam wurde eine starke „Verschlechterung des derzeit guten biologischen Zustands“ festgestellt, was prinzipiell einer Genehmigung entgegenstünde. Weil aber am Ausbau der Wasserkraft „überwiegendes öffentliches Interesse“ bestehe, wurde sie doch genehmigt. Mit derselben Begründung waren auch schon Murkraftwerk Nummer eins bis drei durchgewinkt worden.

Deutlich tritt dieser Konflikt auch rund um Schutzgebiete zutage. In der Broschüre des Landes zu den Europaschutzgebieten Kamp- und Kremstal heißt es, es müsse „ein ausreichendes Ausmaß an naturnahen Auwäldern“ erhalten werden, ebenso wie „weitgehend unverbaute Flussuferabschnitte“. Notwendig sei daher der „weitgehende Verzicht auf ‚harte‘ wasserbauliche Maßnahmen“. Sollte das Projekt durchgehen, müsse man sich fragen, welchen Sinn solche Schutzgebiete haben, sagen die Gegner.

Dabei sind Klima- und Naturschutz zwei Seiten derselben Medaille. Gerade in Zeiten des Klimawandels braucht es widerstandsfähige Flüsse. Als Wasserspeicher, für die Grundwasserversorgung und als Hort der Vielfalt, argumentieren NGOs: Je naturnäher, desto besser könnten sie Dürren und Überschwemmungen ausgleichen. Stattdessen werden aber die Flüsse Stück für Stück geschwächt – im Namen des Kampfes gegen den Klimawandel.

Gerhard Egger verweist auf den Zuwachs an Stromverbrauch, der in den letzten Jahren in Österreich im Schnitt bei etwa 1,5 Prozent gelegen ist: „Selbst wenn wir alle noch möglichen Wasserkraftwerke verwirklichen, könnten wir den Mehrkonsum damit nur noch 15 Jahre abdecken. Dann sind die letzten Naturräume zerstört – und wir haben immer noch dasselbe Problem.“

Was also tun, wo doch auch etwa um Windanlagen Konflikte entflammen? Für die seien zumindest ordentliche Konzepte mit Eignungs- und Ausschlusszonen erstellt worden, sagt Egger. Für die Wasserkraft fordern Experten dies seit Jahrzehnten.

Bei der Frage nach der Energiezukunft einzig auf den Strom zu starren, greift aus Sicht von Klimaexperten ohnehin viel zu kurz. Betrachtet man den gesamten Energieverbrauch Österreichs, so stammen laut Umweltbundesamt zwei Drittel nach wie vor aus fossilen Energieträgern. Der Strom ist da nämlich nur einer von mehreren großen Brocken – da sind aber noch weitere wie Wärme und Verkehr.

Beim Pkw- und Lkw-Verkehr etwa kommt Österreich pro Kopf auf die dritthöchsten CO2-Emissionen Europas, wie der Verkehrsclub Österreich soeben aufzeigte. Die massive Verkehrszunahme mache CO2-Einsparungen in anderen Bereichen „wieder zunichte“.

Für eine grüne Wende wird neben der Stromerzeugung also auch der restliche riesige Energiekuchen anzugehen sein. Zugespitzt: Das bloße Ausstatten der boomenden SUVs mit Elektromotoren, die dann mit Strom aus „grünen“ Kraftwerken herumkurven, wird nicht die Lösung sein. Klimaforscher mahnen, in wärmeeffiziente Gebäude zu investieren, den Individualverkehr und die Vielfliegerei einzudämmen und vor allem: den Gesamtverbrauch zu senken.

Der von Jahr zu Jahr steigende Energieverbrauch sei „kein Naturgesetz“, sagt die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Es gehe nicht nur um bessere Technologien: „Es geht darum, weniger Strom, weniger Energie und Ressourcen zu brauchen.“

„Vor 2021 wird hier mit Sicherheit nichts passieren“, sagt EVN-Sprecher Zach. Man wisse schließlich nicht, wie es nach der UVP-Verhandlung, mit der bis nächsten Sommer zu rechnen sei, weitergehe. Die Gegner lassen trotzdem nicht locker: Für diese Woche haben sie die Band Bluatschink zum Benefizkonzert geladen. Die wird erzählen, wie ihr „wilder Lech“ in Tirol „um ein Haar durch Kraftwerke zerstört“ worden wäre.

Was Sibylle Steidl tut, wenn wirklich die Bagger auffahren? „Sich vor einen Bagger legen, davon halte ich nicht so viel.“ Aber bei einem Protestcamp, vielleicht mit Baumhaus, da wäre sie schon dabei.

(Zuletzt hat Doris Knecht im Falter zum Kraftwerkskonflikt im Kamptal Stellung bezogen.
Wer den Falter abbonieren will, kann dies hier tun…)