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Was hat die EVN im Europaschutzgebiet Kamptal vor?

Das Amt der NÖ Landesregierung hat am 30. April 2018 die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) der EVN zum Abriss des alten und Neubau eines größeren Kampkraftwerks Rosenburg veröffentlicht. Laut Einreichunterlagen soll eine 1,6 m höhere Betonstaumauer errichtet, der Stauraum auf 1 km verlängert, 2,9 ha Wald gerodet, das alte Krafthaus durch einen Stahlbetonbau ersetzt und unterhalb davon mehr als 1,5 Kilometer Naturfluss um bis zu 1,5 Meter tief ausgebaggert werden.
Dafür müssen 37000 m³ Erdreich und Gestein ausgebaggert und im Stauraum deponiert werden. Für diese umfangreichen Materialtransporte soll eine LKW-taugliche Brücke über den Kamp gebaut und der Fahrweg zum Wehr zu einer 5 m breiten Straße „ertüchtigt“ werden. Anstatt des Fussgeher-Steges würde dann eine Straßenbrücke den Kamp queren.
Die EVN plant somit keine „Revitalisierung“ oder „Modernisierung“ des über 100 Jahre alten Wasserkraftwerks Rosenburg, sondern den Abriss von Anlagen wie dem alten Krafthaus und den Neubau einer größeren Anlage.

Die offizielle Kundmachung gibt bekannt: „Ab 02.05.2018 bis einschließlich 15.06.2018 besteht für jeden die Möglichkeit schriftliche Stellungnahmen bzw. Einwendungen zum Vorhaben bei der UVP-Behörde (per Adresse: Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Umwelt- und Energierecht (RU4), Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten), einzubringen.“

Danach wird der Mehrheitseigentümer der EVN und die Genehmigungsbehörde – das Land Niederösterreich – eine Entscheidung treffen.Bald danach ist vermutlich mit den Bauarbeiten im Landschafts- und Europaschutzgebiet zu rechnen.

Die Plattform „lebendiger Kamp“ von engagierten Bürgern und Umweltschutzorganisationen wird sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diesen naturzerstörerischen Kraftwerks-Neubau wehren.

Warum lehnen alle Naturschutzorganisationen den Bau eines neues Kraftwerks bei Rosenburg am Kamp ab, wo es doch „grünen“ Strom erzeugen soll?

Nach Ansicht der in NÖ tätigen Naturschutzverbände wird der Kraftwerksneubau massive landschaftliche, ökologische und landeskulturelle Schäden in einer der letzten naturnahen Tallandschaften Österreichs verursachen.

Erst vor kurzer Zeit hat die NÖ Landesregierung den Großteil des Kampober- und mittellaufes im „NÖ wasserwirtschaftlichen Regionalprogramm 2016 zum Erhalt von wertvollen Gewässerstrecken“ als absolut schützenswert eingestuft. Das Kamptal ist also ein besonderes Naturkleinod.

Im Projektgebiet und dessen näherem Umfeld leben seltene Tierarten wie Eisvogel, Schwarzstorch, Würfelnatter, Smaragdeidechse, Scharlachkäfer und Alpenbock, Fischotter und Biber. Es gibt dort bedeutsame Reste europaweit gefährdeter Auwälder (darunter der einzige Bestand einer Hartholzau im gesamten Europaschutzgebiet Kamp- und Kremstal) und sehr naturnahe Schlucht- und Hangmischwälder. Bei beiden handelt es sich um „prioritäre“, also besonders geschützte Lebensraumtypen gemäß der Flora-Fauna-Habitat- und der Vogelschutz-Richtlinie der EU. Nicht umsonst hat das Lebensministerium gemeinsam mit dem WWF diese einmalige Naturlandschaft vor einigen Jahren als „nationales Flussheiligtum“ ausgezeichnet.

Klimaschutz kann nur durch ein umfassendes Maßnahmen-Programm umgesetzt werden. Und das umfasst Energiesparen, Reduktion von CO2-Emissionen in allen Sektoren (etwa im Verkehrsbereich) und eine ökologische Energiewende, die unsere letzten Naturjuwelen schont. Dazu zählt etwa die Ausweitung der Solarstromerzeugung, wo Niederösterreich hinter anderen Regionen nachhinkt.

Die Stromausbeute des geplanten Kampkraftwerks in Rosenburg steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur dadurch angerichteten Naturzerstörung. Daher ist dieses Projekt aus Sicht der Naturschutzorganisationen kein sinnvoller Beitrag zur „Energiewende“.

Atomstrom und fossile Energieträger bedrohen Umwelt und Klima. Ist nicht jeder umweltfreundlich produzierte Strom auszunutzen?
Ein Kraftwerksprojekt mit derart negativen Auswirkungen auf Landschaft, Ökologie und Schönheit des naturbelassenen Tales kann niemals umweltfreundlich sein. Photovoltaikanlagen auf einigen Gewerbehallen würden ebenso viel Strom erzeugen.

Niederösterreich produziert schon über 100 % des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien. Trotzdem sind Politik und jeder Einzelne gefordert, den weiteren Verbrauchszuwachs zu bremsen. Allein 19000 Beschneiungsanlagen (Wert 2015) in Österreich verbrauchen den Strom von 75 Kraftwerksanlagen in der Größe von Rosenburg!

Woher sollen wir sonst den benötigen Strom nehmen?

Jährlich wächst der Stromkonsum in Österreich im Schnitt um 1,5%. Selbst wenn wir alle noch möglichen Wasserkraftwerke verwirklichen würden, könnten wir diesen Mehrkonsum damit nur noch 15 Jahre abdecken. Dann wären aber alle Flüsse verbaut, die letzten Naturräume zerstört – und wir stünden vor dem gleichen Problem wie heute… 
Ohne Einsparungen durch eine intelligentere, achtsamere, weniger verschwenderische Verwendung von Energie wird es daher nicht gehen.

Gleichzeitig stehen in Niederösterreich hunderte Supermärkte, Einkaufszentren und große Gewerbegebäude. Solarstrom wird derzeit auf fast keinem davon produziert. Die EVN ist ein Solar-Nachzügler. Der Ausbau der Solarstromproduktion – in Kooperation mit Handelsketten – wäre aber ein wesentlich nachhaltigerer Weg die Produktion von erneuerbaren Energiequellen zu steigern, als die Zerstörung von einem unserer letzten naturnahen Flusstäler für eine magere Stromausbeute.

Ist der Neubau überhaupt rentabel und wer zahlt?

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Kraftwerk Rosenburg nicht rentabel: Unter 200 analysierten Flusskraftwerksprojekten ist es eines der unwirtschaftlichsten. Betriebswirtschaftlich macht die Investition für die EVN nur deswegen Sinn, weil der produzierte Strom aus Wasserkraft durch die Ökostromförderung um 7 cent/kWh statt zum Marktpreis von 3,5 cent/kWh verkauft werden kann. Die Ökostromförderung wiederum wird von den Stromkunden finanziert. Das Kraftwerk im Kamptal würden somit wir alle bezahlen!

Stimmt es dass die Bewilligungs-Behörde für den Kraftwerksneubau und der Haupteigentümer der EVN identisch sind?

Ja, das Land Niederösterreich ist mit 51% Hauptaktionär der EVN AG, und zugleich sind die Dienststellen des Landes als bewilligende Behörden tätig.

Wie umweltfreundlich ist der Strom aus unseren Flüssen?

Strom aus Wasserkraft wird von Energiekonzernen generell als umweltfreundlich angepriesen und vermarktet. Wasserkraftwerke „verbrauchen“ jedoch Landschaft und Naturlebensräume. Die mit der Stromerzeugung einhergehenden Zerstörungen bleiben in den Statistiken und Werbebotschaften aber wohlweislich unerwähnt. Im Gegenteil: der weitere Ausbau der „Wasserkraft“ in Österreich wird vehement weiter vorangetrieben, obwohl es Kraftwerke bereits in einer Dichte wie nirgends sonst in der Welt gibt. In anderen Ländern geht man schon dazu über, veraltete und ökologisch bedenkliche Wasserkraftwerke wieder zurückzubauen („De-Damming“)…

Wird durch das Kraftwerksprojekt bei Rosenburg EU-Recht tangiert?

Die Flora-Fauna-Habitat- und die Vogelschutz-Richtlinie der EU schreiben vor, dass sich der Erhaltungszustand von natürlichen Lebensräumen und geschützten Arten nicht verschlechtern darf bzw. verbessert werden muss. Auch die Wasser-Rahmenrichtlinie definiert ein „Verschlechterungsverbot“ und ein „Verbesserungsgebot“. Um das Risiko von Verschlechterungen zu vermeiden, müssen mögliche negative Auswirkungen, wie sie bei einem Kraftwerksneubau unvermeidlich sind, vorab streng geprüft werden. Diese Richtlinien sind in Österreich geltendes Recht.

Da viele der EU-rechtlich geschützten Lebensräume und Arten einen schlechten Erhaltungszustand aufweisen, sind Vorhaben, die eine weitere Verschlechterung bedeuten würden, unzulässig. Der Neubau eines Kraftwerkes wie im Kamptal bedingt zwangsläufig schwere und langfristig wirksame Eingriffe in natürliche Lebensräume und den Wasserkörper. Daher verstößt das Projekt unserer Ansicht nach gegen das EU-Verschlechterungsverbot.

Das Land Niederösterreich hat aber im Vorfeld der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) einen interessanten Schachzug vorgenommen: der vom Kraftwerksbau betroffene Flussabschnitt des Kamps wurde im „Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan“ zu einem „künstlich veränderten Wasserkörper“ abgeändert. Dahinter steckt vermutlich die Absicht, den Kraftwerksneubau wasserrechtlich leichter bewilligungsfähig zu machen und das Verschlechterungsverbot zu umgehen. Für „künstlich veränderte Wasserkörper“ gibt es nämlich noch keine rechtlich definierten Schutzziele, und behördliche Auflagen sind überdies nur in jenem Ausmaß zulässig, wie es für die Nutzung durch den Kraftwerksbetreiber verträglich erscheint. Agiert das Land Niederösterreich hier zugunsten der EVN, die sich ja mehrheitlich in dessen Besitz befindet?

Was ist die positive Alternative zum Kraftwerks-Neubau?

Der Kamp hat durch die vielen bestehenden Kraftwerke in den letzten 100 Jahren sehr viel zur Stromproduktion geleistet. Jetzt ist das alte Kleinkraftwerk beim Umlaufberg unrentabel geworden. Anstatt die Natur durch einen Neubau schwer zu schädigen, wäre es besser, den Damm zu öffnen und dem Kamptal Naturraum zurückzugeben! Dadurch würde nicht nur die Natur- und Erholungslandschaft Kamptal unversehrt erhalten, sondern es entstünde an Stelle des derzeitigen Staus und der Restwasserstrecke eine um 4 km längere Wildflussstrecke beim Umlaufberg, einem der spektakulärsten Abschnitte des gesamten Kamplaufes. Die Entwicklung von sanftem Naturtourismus wäre für die Regionalwirtschaft weitaus segensreicher als ein neues Kraftwerk samt Großbaustelle.

Mit einer Solar-Offensive in Niederösterreich (vor allem auf Shoppingcenter- und Gewerbe-Dächern- bzw. Parkplätzen) könnte wesentlich mehr erneuerbarer Strom gewonnen werden, als mit energetisch vergleichsweise unbedeutenden Kleinkraftwerk Rosenburg.

Was kann ich tun?

– Nutzen Sie die Frist für Stellungnahmen im UVP-Verfahren zwischen 2. Mai und 15. Juni 2018! Laut Amt der NÖ Landesregierung kann „jeder“ Stellungnahmen und Einwendungen einbringen. Senden Sie ihre Stellungnahme bitte an: Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Umwelt- und Energierecht (RU4), Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten.

– Reden Sie mit Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen usw. darüber!

– Verbreiten Sie Informationen über das Projekt und Alternativen!
Downloadmöglichkeiten: www.lebendiger-kamp.at
Unterstützen Sie die Kampagne auf Social Media: facebook.com/lebendiger.kamp/

– Übermitteln Sie ihre Fragen, Sorgen und Bedenken an Landesrat Pernkopf (lhstv.pernkopf@noel.gv.at) und der EVN (https://www.evn.at/Kontakt/Kontaktformular.aspx).

– Beteiligen Sie sich an der Kampagne für einen lebendigen Kamp: Informieren Sie sich über Neuigkeiten und Aktivitäten auf der Homepage oder Facebook:
www.lebendiger-kamp.at
facebook.com/lebendiger.kamp/

Und: Bitte spenden Sie!
Naturschutzbund Niederösterreich
Raiffeisenlandesbank Wien NÖ
IBAN: AT61 3200 0000 0048 0590
BIC: RLNWATWW
Betreff: Lebendiger Kamp